Mikrotechnik: Herstellung kleinster Strukturen

Mikrotechnik: Herstellung kleinster Strukturen
Mikrotechnik: Herstellung kleinster Strukturen
 
Während man die Verfahren zur Herstellung von Mikrostrukturen oft unter dem Begriff Mikrotechnik zusammenfasst, versteht man unter Mikrosystemtechnik eher die Disziplin, die sich um die Konzepte des technisch optimalen Zusammenwirkens einzelner Mikrokomponenten zu einem kompletten System kümmert. Jedoch verwischen sich die Grenzen zwischen diesen Begriffen zusehends.
 
In der Mikrotechnik geht es darum, neben elektronischen, auch mechanische, fluidische (flüssige) und optische Funktionselemente zu miniaturisieren, zu integrieren und in großen Stückzahlen zu fertigen. Diese Strukturen sind in aller Regel aber nicht wie Schaltkreise planar (eben) aufgebaut, sondern dreidimensional. Außerdem muss eine wesentlich größere Vielfalt von Materialien strukturiert werden, angefangen bei Metall über Keramik bis hin zu Glas und Kunststoff. Das wirft auch Probleme bei der Integration unterschiedlicher Bauelemente zu einer Funktionsgruppe oder einem System auf. Meist zieht man in der Mikrotechnik eine hybride (zusammengesetzte) Integration vor, wodurch den entsprechenden Aufbau- und Verbindungstechniken eine wichtige Rolle zukommt.
 
 
Durch die Miniaturisierung elektronischer Bauelemente (Mikroelektronik) und ihre optimierte funktionale Zusammenfassung (Integration) zu Schaltkreisen hoher Komplexität mittels ausgeklügelter Parallelfertigungsmethoden, bei denen viele Bauelemente auf demselben Träger gleichzeitig einem Herstellungsschritt unterworfen werden, können strukturierte Siliziumplättchen (Chips) in großen Stückzahlen hergestellt werden. Vor allem lithographische und Dünnschichttechniken werden dabei benutzt.
 
Das Siliziumrohsubstrat (Wafer) wird mit einer weniger als einen Mikrometer (1 μm = 0,001 mm) dünnen Fotolackschicht bedeckt und diese durch eine »Maske« mit UV-Licht bestrahlt. Die Maske besteht aus einem UV-durchlässigen Träger (z. B. Quarzglas) und UV-undurchlässigen Strukturen (z. B. Chrom). Je nachdem, ob ein Positiv- oder Negativlack benutzt wird, werden die durch die Strahlung veränderten oder unveränderten Bereiche des Lackes chemisch entfernt. Sie können anschließend einem Ätz-, Aufdampf- oder Ionenimplantationsschritt ausgesetzt werden. So kann man die Materialeigenschaften der freigelegten Bereiche gezielt verändern: Leiterbahnen oder Isolationsschichten können erzeugt oder p- bzw. n-Dotierungen eingebracht werden. Für komplexere Schaltungen können sich diese Vorgänge mehrfach wiederholen.
 
Die Maske selbst muss einmal »direkt« geschrieben werden. Dazu dient ein Elektronenstrahlschreiber, der einen fein gebündelten Strahl von Elektronen erzeugt, mit dem eine sensitive Lackschicht beschrieben wird. Die mit dieser Maske danach durchgeführte UV-Lithographie wird in ihrem Auflösungsvermögen durch die UV-Wellenlänge beschränkt und kann standardmäßig derzeit Strukturbreiten bis herab zu 0,35 μm erzeugen.
 
 Weitere Verfahren der Mikrotechnik
 
Neben den Verfahren der Lithographie-, Beschichtungs- und Ätztechniken nutzt die Mikrotechnik auch konventionelle, aber weiterentwickelte feinwerktechnische Bearbeitungsverfahren und geht zudem ganz neue Wege.
 
Siliziumoberflächen können dort, wo sie nicht durch eine vorherstrukturierte Schicht, etwa aus Fotoresist oder einem anderen Material, geschützt sind, durch Nass- oder Trockenätzprozesse abgetragen werden. Die Form der geätzten Bereiche kann sehr unterschiedlich sein. So richten sich einige Ätzprozesse nach der Ausrichtung der Kristallstruktur relativ zur Oberfläche. Andere Prozesse ätzen das Siliziummaterial nicht nur »in die Tiefe«, sondern auch »seitwärts«. Dadurch können neben senkrechten Strukturwänden auch geneigte erzeugt werden oder die geschützten Bereiche können gezielt unterätzt werden. Dies ermöglicht beispielsweise die Realisierung von dünnen »Brückenstrukturen«, die statisch bewegt werden können, oder von frei schwebenden »Sprungbrettern« (Biegebalken).
 
Auch Laserstrahlung lässt sich zur Mikrostrukturierung nutzen. UV-Pulse hoher Energie, produziert von Excimerlasern, können z. B. dazu benutzt werden, Materie zu verdampfen. Dazu wählt man meist ein Direktschreibverfahren, das auf einer Bewegung des Werkstücks relativ zum Laserstrahl beruht. So können je nach Anzahl der deponierten Pulse flachere oder tiefere Abtragsmuster nebeneinander mit Mikrometerpräzision produziert werden. Mit Laserstrahlen anderer Wellenlänge können winzige Schweißpunkte und -nähte erzeugt werden, mit denen Mikrosysteme aufgebaut oder abgedichtet werden können. Bei Verwendung spezieller Gase in der Bearbeitungskammer kann mit fokussierten Laserstrahlen sogar Materialabscheidung und damit der Aufbau filigraner Mikrostrukturen betrieben werden.
 
Ebenfalls auf Materialabtrag beruht das Mikrofunkenerodieren. Hier wird zwischen eine Bearbeitungselektrode und dem Werkstück, die sich beide in einer elektrisch isolierenden Flüssigkeit befinden, eine Spannung angelegt. Nähert man die Elektrode dem Werkstück, so kommt es zu Funkenüberschlägen. Diese führen zu einem Materialabtrag am Werkstück. Die entstandene Vergrößerung des Abstandes wird durch den Vorschub der Elektrode ausgeglichen. Diese Senkerosion lässt sich vergleichen mit dem Eindrücken eines heißen Stempels in einen Eisblock. Die Drahterosion, bei der man einen dünnen Metalldraht (oft nur 30μm dünn) als Elektrode wählt, gleicht eher dem Vorgang des Laubsägens. Auf diese Weise sind z. B. Stahlrohlinge sehr präzise mikrostrukturierbar.
 
 
Will man Mikrostrukturen in großen Stückzahlen produzieren, so bietet sich das in Deutschland entwickelte LIGA-Verfahren an, das aus den Hauptschritten Lithographie (LI), Galvanoformung (G) und Abformung (A) besteht. Für eine dreidimensionale Struktur wird beim Lithographieschritt eine bis zu 1 mm dicke Fotolackschicht (Resist) ausgeformt. Um eine solche Schichtdicke durchstrahlen und chemisch verändern zu können, benutzt man vorzugsweise Synchrotronstrahlung (Röntgenlicht mit typischerweise 1nm Wellenlänge) geringer Divergenz (Streuung) und hoher Intensität. Nach dem Entwickeln dient die elektrisch leitfähige Trägerplatte in einem Galvanikbad als Kathode. Dies führt dazu, dass die Zwischenräume des Fotolackreliefs sich mit Metall füllen und eine metallene Komplementärstruktur entsteht. Diese wird von den Lackresten befreit und kann nun in einem Prägewerkzeug oder einer Spritzgussmaschine als Urform (Master) zum massenhaften Übertragen der Präzisionsstrukturen in Kunststoffprodukte benutzt werden. Das Verfahren ist auf Massenprodukte aus Metallen, Legierungen und keramischen Werkstoffen erweiterbar.
 
 Anwendungen
 
Die Anwendung mikrotechnischer Strukturen bringt in allen Bereichen der Technik Vorteile: Chirurgen wünschen sich immer kleinere und präzisere Instrumente, um mit möglichst geringen Eingriffen optimale Therapieergebnisse erzielen zu können. Miniaturisierte Mechaniken und winzige Motoren in der Spitze von Endoskopkathetern befinden sich in der Entwicklung. Im Automobilbau finden heute neben vielerlei mikroelektronischen Sensoren, Steuer- und Regeleinheiten auch kleinste Beschleunigungssensoren Verwendung: Ihr Kernstück besteht z. B. aus einer winzigen, beweglich aufgehängten Masse. Wird die Masse durch einen Zusammenprall des Autos mit einem zweiten Gegenstand massiv ausgelenkt, so führt dies z. B. zur Auslösung des Airbags. In der Telekommunikation und der Datenverarbeitung ist die Glasfaser auf dem besten Weg, das Transportmedium der Zukunft für Informationen jedweder Art zu werden. Beim Koppeln von Glasfasern miteinander oder an entsprechende optoelektronische Sende- und Empfangsbausteine ist aufgrund des geringen Faserquerschnitts höchste Präzision gefragt, um Lichtverluste möglichst gering zu halten. Mikrotechnische Positionierelemente, z. B. in Steckverbindern, schaffen hier Abhilfe. Um optische Signale zu führen, zu verzweigen und auch zu manipulieren, können mit Methoden der Dünnschichttechnik auf Siliziumbasis oder mit der LIGA-Technik optische Chips mit Lichtleiterbahnen realisiert werden (Integrierte Optik).
 
 Mikrofluidtechnik
 
In Zukunft sollen mithilfe fluidischer (Flüssigkeiten führender und lenkender) Systeme chemische Reaktionen auf kleinstem Raum kontrolliert durchgeführt werden. Mikrostrukturierte Kanälchen führen Flüssigkeiten zusammen, die von miniaturisierten Pumpen gefördert werden. Durch geeignete Auslegung der Mischkammern wird erreicht, dass sogar nichtmischbare Flüssigkeiten, die nur an ihrer Grenzfläche zueinander reaktionsbereit sind, sehr große Grenzflächen miteinander bilden. Die winzigen Kanäle und Kammern besitzen ein hohes Verhältnis von Oberfläche zum eingeschlossenen Volumen, wodurch eine gute Temperaturkontrolle möglich wird, die bei schwierigen biochemischen Reaktionen oft Grundvoraussetzung für eine gute Ausbeute ist. Die Integration von Glasfasern in ein solches System ermöglicht die Kontrolle von Durchfluss und Produktreinheit und zusammen mit miniaturisierten Mischerelementen, Reaktionskammern und Pumpen auf einem Baustein spricht man auch vom »lab on a chip« (»Labor auf einem Chip«). Will man das chemische Produkt in größeren Mengen produzieren, so schaltet man eine Vielzahl von Mikroreaktoren parallel. Hier bedient man sich desselben Prinzips wie die Natur, wo die Zelle als Mikroreaktor arbeitet. Solche Parallelschaltungen sind störunanfällig gegen Ausfälle einzelner Mikroreaktoren.

Universal-Lexikon. 2012.

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